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Interview


Vom Kart zum
Schwaben­truck – die Rennerfolge von Steffi Halm 

Nein, mit Puppen hat Steffi Halm nie gerne gespielt. Sie interessierte sich für alles, was rollte und fuhr, und als sie mit ca. 9 Jahren das erste Mal vor einem Kart stand, war sie fasziniert. Und das Tollste: Man musste nicht mal selbst treten!
Der Rest wäre schnell erzählt, wenn sie nicht so erfolgreich wäre. Im Laufe der folgenden 24 Racing-Jahre ließ sie bis heute kaum eine Rennsport-Serie aus. Ihre größte Leidenschaft gilt aber dem Truck Racing und 2019 startet sie in die zweite Saison mit dem IVECO Stralis XP-R. Damit ist sie europaweit wieder die einzige weibliche Rennfahrerin im Feld. Zum Ehrgeiz, ihrer Ausdauer und ihrer sportlichen Fitness kommen noch ihre Natürlichkeit und ihr erfrischender Humor.

Steffi Halm, im Laufe Ihrer umfangreichen Motorsport-Karriere haben Sie kaum eine Rennserie ausgelassen. Waren das alles geplante Weiterentwicklungen?
S. Halm: Anfangs sicher ja, aber irgendwann standen wir vor der Entscheidung: teure Formel-Serien oder doch finanziell günstigerer Tourenwagen-Bereich. 2004 folgte dann der Wechsel dorthin.

Wann kam der erste Kontakt zum Truck Racing? 
S. Halm: Das war bereits 2005/2006. Ein Team sprach mich an, aber eine Zusammenarbeit kam aus Seriengründen nicht zustande. 2011 kam wieder dieses Team auf mich zu. Ein Einstieg in die europäische Truck-Meisterschaft wäre gesichert. Nach Beratungen im Familien- und Freundeskreis sagte ich zu. Frustrierend war, dass mein Einsatzfahrzeug mit vielleicht 900 PS weit unter denen des Wettbewerbs mit 1150 bis 1200 PS lag, das Chassis veraltet war und ich noch keinerlei Serienerfahrung hatte. Ich fuhr entsprechend hinterher. Wenn man bedenkt, dass ich aus einer Tourenwagen-Serie kam, in der ich auch schon ganz oben auf dem Treppchen stand, war es doppelt deprimierend. Konsequenz: Ich stieg am Ende der Saison aus. Dann aber kam ein französisches Team auf mich zu und wollte mich mit besserem Material für die nationale französische Meisterschaft. Ich sagte zu. 2012 wurde ich auf Anhieb französische Meisterin und im Jahr darauf gleich nochmals. Ich war auch hier wieder die einzige Frau in der gesamten Serie.
Dann ging es Schlag auf Schlag: Mein Team stieg 2014 in die European Championship ein, nach einem Jahr wechselte ich und seit 2018 bin ich Fahrerin beim renommierten Team Schwabentruck, das von IVECO gesponsert wird und in dem solche Truck-Legenden wie Gerd Körber gefahren sind. Jetzt ist natürlich auch der Ehrgeiz da, immer weiter nach vorn vorzustoßen.

Schwabentruck hinter den Kulissen: Trainings und Testfahrten

Was war der bisher größte sportliche Erfolg im Team Schwabentruck für Sie persönlich?
S. Halm: Das absolute Highlight des letzten Jahres war, dass wir am Nürburgring den Doppelsieg feiern konnten! Der Start am Nürburgring ist deswegen so bedeutend, da dieser Lauf immense Zuschauerzahlen generiert. 2018 waren es fast 120.000 Truck-Begeisterte, die die Eifelstrecke besuchten. Hinzu kommt das Flair, das dieser Renntermin mit seiner weltweiten Bedeutung ausstrahlt. Zu diesem Saisonhöhepunkt diesen Doppelsieg einzufahren, das war einfach traumhaft.

Kommen wir zur aktuellen Saison 2019, was wird neu sein in puncto Technik und Training?
S. Halm: Heute am Interviewtag haben wir das erste Roll-out-Wochenende. Das ist stets sehr wichtig, weil die Autos zerlegt und wieder neu zusammengesetzt werden. Die Techniker, Ingenieure und Motorspezialisten prüfen, ob alles richtig ineinander greift, alles optimal funktioniert. Die Motoren und Getriebe kommen aus der Revision und werden ausgiebig eingestellt und justiert. Eine Woche später sind wir zu Testzwecken auf einer Rennstrecke in Tschechien. Hier prüfen wir dann die Roll-out-Ergebnisse und Einstellungen unter Rennbedingungen. Das sind natürlich die Vorteile eines Truckherstellers mit eigener Teststrecke auf dem Werksgelände. Hinzu kommt, und das muss ich mal erwähnen, da ich ja bereits einige Marken gefahren habe, dass es servicetechnisch nirgends so gut läuft wie hier. Wenn man bedenkt, welch ein Riesenkonzern hinter IVECO steht, dann fallen die Entscheidungen äußerst rasch und präzise. Wenn es z. B. von uns aus heißt, wir müssen nochmal dringend auf die Teststrecke, um noch Details zu prüfen, dann kommt zurück: alles klar – das kriegen wir hin. Wenn auch vielleicht nicht sofort, dann am frühen Abend oder Morgen kriegen wir die Strecke. Das ist für unsere Arbeit ein Riesenvorteil.

Steffi Halm
Truck-Rennfahrerin

Geboren in: Herrenberg
Geburtstag: 09.06.1984
Hobbies: Motorsport, Handball
Beruf: Dipl.-Verwaltungswirtin (FH)
Sie mag: schwäbische und italienische Küche
Motorsport seit: 1993
Rennserien insgesamt: vom Kart-Sport über Formel Nachwuchsserien und Tourenwagen-Rennen bis hin zum Truck Racing
Aktuelle Rennserie: FIA Truck EM im Team Schwabentruck Racing

Gibt es leistungsmäßig Veränderungen am Stralis XP-R für 2019?
S. Halm: Wir probieren und optimieren ständig. Dabei geht es leistungsmäßig nicht nur um den oberen Bereich. Genauso wichtig ist, dass der Motor z. B. in der Startphase genügend Leistung von unten heraus hat. Wir arbeiten unablässig an der Motorencharakteristik.

Zum Rennen selbst. Welche Phase ist die heikelste in einem Rennen?
S. Halm: Das ist eindeutig die Startphase, die hat’s in sich. Jeder kann dort am schnellsten Plätze gutmachen. Da sind schnell Fehler gemacht und dann gibt es eine Kettenreaktion, da alle noch dicht beieinander sind. Aber eine fliegende Startphase beinhaltet auch noch aus anderen Gründen Fehlerpotenzial: Auf eine Zehntelsekunde genau muss alles aufeinander abgestimmt sein. Passt der Gang, ist die Drehzahl optimal, ist die Bremse optimal temperiert und vieles mehr. Hier ist wirklich Fingerspitzengefühl angesagt – man kann viel gewinnen, aber auch viel verlieren.

Eigentlich müssten Sie Ihr eigener Techniker sein, wenn Sie Ihren Mechanikern Defizite am Fahrzeug erklären wollen.
S. Halm: Ein Mechaniker kann mir nur helfen, wenn ich ihm konkret sagen kann, was mein technisches Problem ist. D. h. wir Fahrer arbeiten intensiv am Set-up mit. Da gibt es viele Komponenten wie Spureinstellung, Federn werden getauscht, man hat Dämpfer mit verschiedenen Zug- und Druckstufen, Stabilisatoren, die härter oder weicher eingestellt werden können usw. Die Ideallösung ist das optimale Set-up und hier arbeiten wir Hand in Hand.

Saisonstart 2019 – 1. Rennen in Misano


Die Saisoneröffnung in Misano als Video


Für Sie als Frau mittlerweile normal: Wohin man schaut, sind Männer im Rennsportgeschäft. Von Vorteil oder eher von Nachteil?
S. Halm: Ich würde sagen grundsätzlich eher vorteilhaft, da ich im Rennbereich nicht bewusst härter angegangen werde. Es war und ist ein immer sehr respektvoller Umgang miteinander. Ein großer Vorteil für mich: Als einzige Frau in der Europameisterschaft erziele ich eine größere Aufmerksamkeit in den Medien. Das alles nehme ich natürlich für mich und meine Sponsoren gerne mit.

Sie sind nicht nur im Rennsport, sondern auch beruflich erfolgreich. Wie war der Weg dahin?
S. Halm: Ich habe den Realschulabschluss und wollte dann aus sportlichen Gründen zur Polizei. Da war ich aber noch zu jung und man sagte mir: «Bei deinen Top-Noten mach erst mal Abi und komm dann zurück und gleich in den gehobenen Dienst.» Das habe ich gemacht, wollte aber nicht mehr zur Polizei, sondern habe mich für ein Studium zur Diplom-Verwaltungswirtin entschieden. Ich bin jetzt Beamtin im Landratsamt Tübingen und genieße hier ein sehr schönes kollegiales Miteinander und habe faire Freiräume, um meinem Hobby Motorsport nachzugehen.


Danke für das spannende Interview, Steffi Halm!

FIA European Truck Racing Championship 2018